Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter wird Jesus gefragt, wer denn der Nächste sei. Seine Antwort ist eine Erzählung die er mit einer Gegenfrage beschließt: „Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde?” (Lk 10,36) Nicht wer mein Nächster ist, sondern für wen ich der Nächste sein kann, ist entscheidend.
Kurz vor Ostern 1915 – aus der Krimmler Pfarrchronik
In einer sehr berührenden Weise wurden vor 107 Jahren zu Ostern in Krimml vollkommen fremde Menschen füreinander zum Nächsten. Einige Tage nach Ostern 1915 erlebte der Pfarrer von Krimml, Martin Hölzl, folgendes: „Am Montag nachmittag hörte ich unter dem Rosenkranz wieder die Russen in die Kirche kommen. Ich merkte beim Weihbrunnensprengen, dass es sehr viele waren. Nach dem Rosenkranz wartete ich etwas in der Sakristei, bis die Russen gegangen waren, damit dann ich in den Beichtstuhl hineinkomme. Da kommt der Sepl vom Kerzenauslöschen, ich soll hinaus kommen. Die Russen möchten mich. Ich gehe hinaus. Alle stehen beim Speisgitter nun links und rechts und im Mittergang und Hauptmann Scheller, der mir schon zu Weihnachten den Dollmetsch machte, hatte eine braune Mappe in der Hand und fängt an feierlich etwas vorzulesen. Er war so ergriffen, daß ihm die Stimme stockte …“:
Osterkarte der gefangenen russischen Offiziere an Pfarrer Hölzl
„Hochgeehrter Herr Pfarrer! Ihr herzlicher Gruss und Glückwünsche zu heiliger Ostern hat uns eine wahre Freude gemacht, um so mehr, als wir kaum hoffen durften, dass hier jemand sich unser noch erinnern würde. Ihre Worte kommen aus einem wahrhaft christlichen Herzen, wecken in uns die besten Gefühle und unsere Herzen drängen uns, Ihnen unseren innigsten Dank auszusprechen und Ihnen mit herzlichem Gruss auch fröhliche und recht gnadenreiche Ostern zu wünschen. Russische Offiziere, Krimml 16.IV 1915“
Eine größere Gruppe gefangener russischer Offiziere war in Krimml unter der Bewachung von Oberst Raedelsdorfer untergebracht. Schon die ganze Karwoche hindurch waren die Russen geschlossen zu den Gebeten und Gottesdiensten gekommen. „Beim heimgehen baten sie die Buben recht um Palmzweige, wenns auch nur ein ganz kleines Stückchen war. Für (Ostern) die Karwoche erkundigten sie sich um die ganze Gottesdienstordnung. Ich schickte ihnen mit derselben dieses als Ostergruß:“ „Mit freundlichem Gruß an Sie und an ihre lieben Familien wünsche ich Ihnen recht glückliche Ostern Krimml Martin Hölzl Pfarrer“.
Deutsche Karte mit kyrillischen Buchstaben geschrieben, Pfarrer Martin Hölzl an russische Kriegsgefangene 1915
Mit einer kleinen Geste hatte der Landpfarrer den gefangenen, in den unseligen Schlachten des Ersten Weltkrieges verletzten und – wie sie meinten – von allen vergessenen Soldaten fern der Heimat Hoffnung geschenkt. Ohne groß Lärm zu machen ist Heiliges geschehen: aus Fremden wurden Brüder, alle Kinder des einen Vaters im Himmel. Möge dies auch in unseren Tagen möglich werden! Pfarrer Martin, sei uns ein guter Fürsprecher in unruhigen Zeiten.
Beschreibung des schönen Osterbildes, das einer der Offiziere auf die Osterkarte für den Pfarrer malte
„Die zwei Kinder stellen die Sitte dar, nach welcher alles zu Ostern sich beim Begegnen den Ostergruß sagt “Christos Wosklese“ Christus ist auferstanden – wobei sie die Eier wechseln. Auf den Eiern stehen die Anfangsbuchstaben des Ostergrußes X – B. Ihr B ist unser W.“
Pfarrer Martin Hölzl
Pfarrer Martin Hölzl, gebürtig zu Mauterndorf , war von 1911 bis 1930 Pfarrer von Krimml. Er war ein großer Musiker (Gitarre), der unter anderem das Lied „Gott griaß enk Leitl“ bekannt machte und drei Liederbücher herausgab. Nach seiner Zeit in Krimml war er bis zu seinem Tod 1956 Barmherziger Bruder. Nachdem ich schon einige Seiten seiner lebhaften Schrift aus der Chronik transkribiert (übertragen) habe, getraue ich mich zu sagen: er war ein sehr einfühlsamer und bodenständiger, gleichzeitig tief spiritueller und engagierter Priester. Ein Vorbild in vielen Dingen. Das schöne Fenster im Altarraum rechts vorne wurde von seinen Eltern, die viel Zeit in Krimml verbrachten, gestiftet.
Einen ergreifenden Text, aus dem man seinen Charakter erahnen kann, findet ihr hier: Einen Brief voller tiefer Einsichten aus 50 Jahren Gottes- und Menschendienst, den er 1943 zu seinem goldenen Priesterjubiläum an Pfarrer Achorner schickte.
Christus ist auferstanden – er ist wahrhaft auferstanden. Amen, Halleluja Diakon Ruben Weyringer
Dank
Ein herzliches Vergelt’s Gott möchte ich Herrn Mag. Dr. Michael J. Greger, Institutsleiter des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde aussprechen. Der Austausch mit ihm war und ist sehr bereichernd und erhellend. Ich verdanke ihm wichtige Hinweise; Korrekturen und Hintergrundinformationen.
„Die RussenWache mit Besuch von Smyral [nicht ganz sicher]; unten auch mit Oberst Kandelsdorfer;
Terassenstiege des Krimmlerhofes“