Was passiert mit und in meinem Leben, wenn ich glaube? Sieht man das auch von außen? Darüber haben wir mit unserem Pfarrer Christian Walch gesprochen. Inklusive wertvoller Tipps für den Sommerurlaub!
Glaube – viele Menschen verbinden den katholischen Glauben damit, am Sonntag in die Kirche zu gehen, oder zumindest an hohen Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten. Manch einer denkt vielleicht noch an abendliches Beten, an den Religionsunterricht in der Schule oder die Erstkommunion. Aber was ist in der – langen – Zeit dazwischen, zwischen den Sonntagen?
Wie kann ich meinen Glauben im Alltag leben, beim Autofahren, beim Kochen für die Kinder, bei der Arbeit, beim Bergsteigen?
Lieber Pfarrer Christian, haben die Menschen, die an den Gott der Bibel glauben, irgendeinen Vorteil in ihrem konkreten Leben?
Auf jeden Fall! Ich kann aus meinem eigenen Leben sagen: Ich weiß, dass es einen großen liebenden Gott gibt, an den ich mich jederzeit wenden kann, dem ich mein Herz ausschütten kann, der zu jeder Tages- und Nachtzeit für mich da ist. Das ist ein Riesenvorteil!
Außerdem weiß ich, dass mein persönliches Leben auf ein großes Ziel zugeht, es geht nicht ins Nichts oder ins Nirwana. Durch die Taufe möchte mir Gott ein ewiges Erbe schenken. Auch, wenn es im Leben manchmal Dinge gibt, die ich nicht verstehe, weiß ich: Es gibt jemanden – Gottvater –, der mich durchträgt.
Jetzt kommt der Sommer, für viele bedeutet das Urlaub. Im Urlaub ist alles in bisschen anders, man lässt den Alltag hinter sich, ist viel unterwegs. Wie kann man da, am Strand oder mitten im spannenden Sightseeing, seinen Glauben bewahren?
Erstens ist es gut, sich bewusst zu machen, dass die Sommerzeit eine Zeit der Erholung ist. Es kann sein, dass man ein bisschen abschweift, dass man sich einfach entspannt. Hilfreich ist es, sich in dieser Zeit in der Früh Zeit für das Morgengebet zu nehmen, bewusst in den Tag zu starten. Dann bin ich im Laufe des Tages flexibel für die Dinge, die daherkommen. Am Abend kann ich dazu raten, vielleicht einen kurzen Rückblick zu machen und Gott für die schönen Dinge des Tages zu danken: für die Erholung, den Ausflug mit den Kindern, das Baden am See. Eltern können mit ihren Kindern auch gemeinsam das Vaterunser beten.
In der Bibel heißt es, „betet ohne Unterlass“. Wie soll das im Alltag gehen? Ich kann ja nicht 24 Stunden am Tag beten, wir haben so vieles andere zu tun. Wie ist das mit dem andauernden Gebet gemeint?
Ich glaube, das hat mit einer Herzenshaltung zu tun, mit einem Lifestyle. Dass man die Dinge, die man tut, im Bewusstsein tut, dass Gott dabei ist. Ein Heiliger hat mal gesagt, wenn ich Jesus verlasse und das Gebet beende, weil ich etwas anderes tun muss, kann ich das so machen, dass ich auch dort wieder Gott begegne. Ob das jetzt Hausarbeit ist oder etwas anders, man kann sagen: Jesus, ich mache das jetzt für dich oder mit dir. Dann ist auch unser konkretes Leben Gebet.
Eher etwas für Fortgeschrittene wäre das Jesusgebet, das eher aus der orthodoxen Kirche kommt: Ich wiederhole den Namen Jesus, betrachte ihn in meinem Herzen.
Die katholische Kirche hat einen großen Schatz an Gebeten, vom Vaterunser, das uns Jesus gelehrt hat, über den traditionsreichen Rosenkranz. Sind diese vorgefertigten Gebete auch etwas für unsere moderne Zeit, sind diese noch immer „in“? Oder sollten wir lieber frei beten?
Die vorformulierten Gebete sind so etwas wie die Leitlinien auf der Straße, an denen wir uns orientieren können. Vor allem für Menschen, die noch neu im Glauben sind, ist es wichtig, da tiefer einzutauchen. Als Ergänzung ist es dann aber auch sehr schön – das mache ich öfter –, spontan das auszusprechen, was im Herzen da ist. Wie wenn man sich mit guten Freunden trifft, da trägt man auch keinen vorgefertigten Text vor.
„Ich weiß nicht, was ich beten soll.“ Diesen Satz hört man immer wieder von Menschen, die zwar an Gott glauben, aber sich beim Beten schwertun. Was kannst du diesen Gläubigen raten?
Ich würde sagen, dass es gut ist, ehrlich mit jemandem darüber zu sprechen. Was hindert mich? Ist zum Beispiel Ablenkung ein Thema, ist es ratsam, das Handy wegzulegen. Andere tun sich vielleicht schwer, weil sie von Gott enttäuscht worden sind, wenn zum Beispiel jemand gestorben ist. Es ist gut, auf unser Menschsein zu schauen! Gebet ist nichts, was man verordnen kann, sondern etwas, was wir in Freiheit tun dürfen.
Ist es erlaubt, auch für ganz irdische Sachen zu beten, zum Beispiel für eine neue Wohnung, einen neuen Job, ein Auto oder einen passenden Ehepartner? Wie spezifisch darf man sich etwas von Gott wünschen?
Als Christen glauben wir, dass Gott Mensch geworden ist in Jesus Christus, deswegen ist unser ganzes Menschsein von Gott angenommen und deswegen ist es legitim, für Bedürfnisse zu beten, die wir haben. Gleichzeitig ist es wichtig, uns zu fragen, was Gott uns schenken möchte. Jesus sagt: Sucht zuerst das Reich Gottes und alles andere wird euch dazugeschenkt. Wichtig ist es also, dass wir zuerst ganz ehrlich Jesus suchen, das Reich Gottes. Wenn man das nicht macht, darf man sich nicht wundern, wenn Gott etwas nicht erfüllt. Auch im Vaterunser heißt es: Dein Wille geschehe. Wenn wir zuerst Seinen Willen suchen, wissen wir, er kümmert sich um uns.
Genau, Gott versorgt uns und ist unendlich barmherzig. Was aber, wenn unsere tiefsten Wünsche, trotz Gebet, einfach nicht erhört werden und wir darüber verzweifeln? Haben diese Menschen falsch gebetet, sind sie zu ungeduldig gewesen?
Ich denke, dass es wichtig ist zu wissen, wir sind noch nicht im Himmel, sondern auf der Erde. Die Heilige Therese von Lisieux sagt, das Leben auf der Erde ist wie eine Fahrt mit einem Schiff auf einem stürmischen Meer von einem Ufer zum anderen. Der Heilige Don Bosco sieht in einem Traum die Kirche als Schiff auf einem stürmischen Meer. Wir sind auf der Erde in einer Bewährungsphase. Für mich gehört dazu auch, dass wir hier gewisse Dinge nie ganz verstehen werden, und es gehört Vertrauen an Gott dazu.
Jesus selbst sagt, als er das Kreuz auf sich nimmt: Lass diesen Kelch an mir vorübergehen, aber Dein Wille geschehe. Jesus hat also auch nicht alles bis ins letzte Detail verstanden. Wenn Gott Dinge nicht erhört, müssen wir wissen, dass Er trotzdem gut ist! Jesus sagt auch, wer mein Jünger sein will, der nehme sein Kreuz auf und folge mir nach.
Paulus formuliert es als Stachel, dreimal hat er Gott – vergebens – angefleht, diesen zu entfernen. Gott hat ihm gesagt: Meine Gnade genügt dir. Das hat nichts mit falsch Beten zu tun!
Es ist wichtig, auf jeden Fall im Gebet zu bleiben, zum Beispiel weiter um Heilung zu bitten, aber natürlich da auch den Willen Gottes zu suchen.
Tiefgläubige Menschen berichten öfter von Glaubenskrisen, von Momenten in ihrem Leben, wo sie plötzlich anfangen, an allem zu zweifeln, sogar an Gott. Wie kann man mit solchen Krisen umgehen?
Wenn eine Glaubenskrise daherkommt, ist das erstens etwas Normales, nicht etwas Außergewöhnliches. Jeder hat mal eine Krise. Von der Bedeutung her heißt Krise: unterscheiden. Die Krise ist eine Zeit, wo wir uns entscheiden können.
Letztes Jahr, als ich zwei, drei Monate im Krankenstand war, habe ich gemerkt, mir hilft es, wenn ich mich an jemanden wende. Wichtig ist es, in der Krise nicht mit sich allein zu bleiben, sondern andere Menschen zu suchen. Und zu wissen: es geht vorüber. Wir dürfen den Augenblick nicht dramatisieren.
In der Bibel heißt es: „An den Früchten werdet ihr sie erkennen“. Im übertragenen Sinn bedeutet das, dass gute Menschen auch gute Taten vollbringen. Macht uns der Glaube zu diesen „guten“ Menschen?
Grundsätzlich auf jeden Fall, ja. Aber das geht nicht automatisch: Ich gehe in die Kirche und werde zum besseren Menschen. Es braucht schon unser Mitwirken. Ich muss es wirklich wollen und an meinem Charakter arbeiten. Manche müssen zum Beispiel an ihrem Zorn arbeiten, andere an ihrer Geduld, andere an ihrer Traurigkeit. Ich muss mein Leben ehrlich anschauen wollen und Gott um diesen ehrlichen Blick auf mein Leben bitten. Wenn wir das konkret angehen, macht uns unser Glaube auf jeden Fall zu besseren Menschen. Dann wird Gott auch Früchte entstehen lassen, diese haben auch ganz viel mit unseren Gaben zu tun.
Im alltagssprachlichen Sinne wird „glauben“ auch verwendet im Sinne von „an etwas oder jemanden glauben“. Wie kann uns Christen unser persönlicher Glaube helfen, an das Gute in unseren Mitmenschen zu glauben – auch wenn sie sich womöglich gerade nicht so günstig verhalten?
Es kann uns helfen, dass wir uns bewusst machen, dass Gott im anderen wirklich gegenwärtig ist, auch, wenn jemand schwierige Charaktereigenschaften hat. Am Grunde der Seele ist Gott da! Mutter Teresa spricht auch davon. Sie war keine Sozialarbeiterin, sondern hat Christus in den armen Menschen gedient.
Schwere Schicksalsschläge wie der Tod eines geliebten Menschen, Krankheit, das Ende einer Beziehung oder auch Arbeitslosigkeit werfen die allermeisten Menschen aus der Bahn, auch Gläubige. Einige fragen sich dann vielleicht: Wie kann Gott so etwas zulassen? Wie können wir es in solchen Momenten schaffen, im Glauben zu wachsen statt zu verzweifeln?
Ich denke, dass sich in solchen Momenten zeigt, aus welchem Holz wir geschnitzt sind. Jesus sagt, wer meine Worte hört und sich daran hält, ist wie ein Mann, der sein Haus auf Fels baut. Ein Sturm kann es nicht zum Einsturz bringen. Ein Haus aus Sand jedoch stürzt ein. Das ist unsere Lebensrealität – es werden Stürme kommen! Wenn wir versuchen, über Jahre hinweg in unseren Glauben zu investieren, wird unser Haus standhalten. Wenn ich aber mein gesamtes Leben auf Sand gebaut habe, wird es schwierig werden, das Ruder dann umzureißen. Natürlich dürfen wir Gott auch um Gnade bitten, die uns durchträgt.
In der wissenschafts- und technologieorientierten Welt von heute werden gläubige Menschen oft belächelt, der Glaube an Gott sei etwas Irrationales, nicht nachweisbar. Was können wir Christinnen und Christen dem entgegenhalten?
Erstens ist es wichtig, Ruhe zu bewahren. Mir persönlich hilft zu wissen, dass viele sehr gebildete Männer und Frauen gläubig waren, darunter große Wissenschafter wie Albert Einstein. Es ist also sichtbar am Leben anderer Menschen, dass sich Glaube und Wissenschaft nicht widersprechen.
Die Wissenschaft – ob Mathematik, Astronomie oder Physik – versucht, die messbare Realität zu beschreiben. Aber wer sich vertieft, weiß sofort, dass die gesamte Wirklichkeit bei weitem nicht beschrieben werden kann. Beispiel Partnerschaft: Bei zwei Menschen, die sich lieben, kann die Wissenschaft Hormone messen, aber das ist nicht die Liebe. Jeder weiß, Liebe ist viel mehr als irgendwelche Stoffe in unserem Körper. Das betrifft auch den Glauben. Nur weil wir Dinge nicht messen können, heißt es nicht, dass sie nicht existieren.
Jesu vielleicht wichtigster Auftrag war der Missionsauftrag – wir alle sind laut Bibel aufgerufen, die Frohe Botschaft von unserem Erlöser zu verkünden, also unseren Glauben richtig hinauszuposaunen. Ist das wirklich wortwörtlich so gemeint, auch in unserer Zeit? Ist Glaube nicht mittlerweile Privatsache?
Der letzte Wunsch von Jesus, geht und macht alle Menschen zu Jüngern, ist so aktuell wie eh und je. Glaube ist zwar etwas Persönliches, zu dem man ja oder nein sagen kann. Aber Glaube ist keine Privatsache im Sinne von das geht andere nichts an. Das sieht man auch, wenn man sich die Kirchengeschichte der letzten 2000 Jahre ansieht.
Wir sollen unser Licht leuchten lassen, unseren Glauben weiterschenken. Aber natürlich nicht mit der Holzhackermethode! Wir können die Menschen zuerst einmal einladen. Wenn sie öfter kommen und sagen: das ist mir wichtig, das glaube ich auch, dann gilt es, den Glauben konkret im Leben umzusetzen.
Glaube hat auch etwas damit zu tun, die Bibel, zu kennen. Wir sollten schließlich wissen, an was genau wir eigentlich glauben. In der Hektik des Alltags haben die Menschen aber oft keine Zeit, sich mit der Heiligen Schrift hinzusetzen und darin zu schmökern. Außerdem ist die Bibel stellenweise gar nicht so leicht zu verstehen. Hast du da einen praktischen Tipp?
In unseren vier Pfarren gibt es verschiedene Möglichkeiten, das zu leben: In der Kirche steht ein Bibelbaum, da kann man sich einen Spruch pflücken. Diakon Ruben macht verschiedene Bibelrunden, und Kooperator Stefan Bibelabende.Was ich noch raten kann, ist, sich das Evangelium des kommenden Sonntags vorher in Ruhe durchzulesen. Da gibt es verschiedene Apps und Websites. Dann ist es am Sonntag, wenn man in die Kirche geht, kein fremder Text mehr.